Star Wars


von Chancell
15.10.2004

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis…

Wohl wenige Filme fanden ein geteilteres Echo als "Star Wars" (dt. Titel "Krieg der Sterne"), welcher 1977 von dem jungen ambitionierten Pionier des Autorenkinos George Lucas aus der Traufe gehoben wurde. Während von Kritikern oftmals als kitschig naives Arrangement klassischer Science Fiction- und Fantasy-Materialien, bestehend aus Kinoserials des frühen 20. Jahrhunderts ("Flash Gordon"), Elementen aus Tolkien und der Legende um die Tafelrunde, belächelt wurde, bildete das Publikum einen sich über Jahre manifestierenden Gegenpol: Sich vor den Kinos der 70er um die Häuserblöcke positionierend, prägten die Star Wars-Besucher einen heute inflationär gebräuchlichen Begriff: Blockbuster. Der Film sollte sich mehrere Jahre in den Kinos halten, wurde mit zwei nicht minderwertigeren Fortsetzungen gekrönt und erfuhr zirka zwanzig Jahre später eine Prequeltrilogie.

Trotz alledem lag der wahre Geniestreich um die Sternenkriege in der Geschäftstüchtigkeit ihres Entwicklers George Lucas, welcher nicht nur filmbezogenes Merchandising gesellschaftlich fundamentalisieren sollte, sondern ebenso anfangs der 80er eine eigenes Unternehmen zur Entwicklung von Computer- und Videospielen kreierte: Lucasfilm Games (heute Lucas Arts). Neben hervorragenden Adventure-Produktionen (z.B. "Maniac Mansion") ersann die Firma Anfang der 90er ein Konzept zur wirtschaftlichen Wiederbelebung des Star Wars-Franchises: Man plante die Entwicklung eines neuen, die Thematik des Sternenkriegs aufgreifenden Videospiels. Einer der Gründe war die VHS-Veröffentlichung der Trilogie, ebenso war das Geschäft mit den aus Fankreisen nicht wegzudenkenden Kenner-Actionfiguren im zweiten Quartal der 80er verständlicherweise zurückgegangen. Es gab bereits mehrere Arcade-Spiele von Atari rund um Star Wars, aber auf der erfolgreichen Nintendo-Plattform wollte man selbstverständlich etwas völlig Neues kreieren. Lucasfilm Games arbeitete während der Entwicklungsphase eng mit Beam Software zusammen, welche sich nicht nur um die programmtechnische Umsetzung der dreidimensionalen Flugsequenzen bemühen sollten, sondern auch die komplette Programmentwicklung übernahmen, während Lucas´ Tochterunternehmen Spieldesign, Grafik und Animation involvierte. Das Nintendo Entertainment System manifestierte sich in Japan übrigens als eine nicht mehr ganz so Star Wars-jungfräuliche Absatzbasis: Namco produzierte bereits 1987 ein lediglich Famicom-Besitzern vorbehaltendes Star Wars Spiel, welches an den im Nachhinein als "Episode IV" betitelten Film angelehnt war. Obwohl Namcos Famicom-Cartridge nie in den Westen gelangte, bürgt es dennoch den Ruf des ersten Nintendo-Lizenztitels auf Basis des "Evangeliums nach Lucas".

Das nun vorliegende, von Victor Musical Industries vertriebene Star Wars-Spiel hält sich allerdings im Vergleich zum japanischen Äquivalent wesentlich strenger an das filmische Vorbild. Der Spieler erfährt sobald die goldene, charakteristische Rollschrift den Bildschirmhorizont erreicht hat, in Form einer digitalisierten Cinematic-Sequenz den wesentlichen Teil des Filmanfangs. Auch die Charaktere repräsentieren ihre, auf 8-Bit-Grafik zurechtgestutzten, filmischen Alter Egos. Auch wenn Darth Vader persönlich als solches im Spiel nicht vertreten ist, so füllt sein Antlitz wenigstens den Game Over-Bildschirm. Zwischen den sehr actionbetonten Kurzmissionen erfährt der Spieler dementsprechend über kurze Animations-, Text- oder Bild-Einblendungen die (wahrscheinlich ohnehin bekannte) Handlung von Episode IV.

Zu Beginn erkundet Luke Skywalker per Landspeeder die staubige Wüste Tatooines. Verschiedene Höhlen laden dabei zu einer Jump 'n' Run-Exkursion ein. Hierbei gilt es dann Extraleben, Schutzschilderweiterungen für den Millenium Falcon, neue Bewaffnungen oder neue Teamkameraden zu finden, um die Story voran zu treiben. Interessant hierbei ist, dass sie sich die gesuchten Figuren in eine kontrollierbare sowie eine assistierende Fraktion teilen: Obi-Wan Kenobi ist beispielsweise ein passiver Charakter und verfügt neben Jedi-Weisheiten über die Gabe, spielbaren Akteuren einige Male Lebenspunkte, welche in Form einer Balkendarstellung am oberen Bildschirmrand dargestellt werden, zu regenerieren. Ebenso hält er ein wichtiges Erbe Lukes in petto: Das Lichtschwert, welche sich auch im Spiel als eine effiziente Nahkampfwaffe erweist. Die Waffenanzahl ist übrigens auf den Wert 3 beschränkt, gewechselt wird im Pausenmenü, in welchem unter anderem auch Charaktere getauscht bzw. angesprochen werden können. Eine Beschränkung erfuhren aber die beiden kontrollierbaren, Luke als Spielheld ausgeschlossen Charaktere: Han Solo und Prinzessin Leia verfügen zwar über höhere Attribute, sind aber nach einmaligen Tod nicht wieder spielbar. Erschwerend stellen sich dem Spieler in der Sandwüste mehrere Kategorien an Gegnern entgegen. Seien es umherstreifende Banthas, imperiale Geschütztürme und Androiden, Sandleute, exotische Insekten oder die obligatorischen Womp-Ratten. Dieser stolzen Feindseligkeit gesellen sich im Fortschreiten in Mos Eisley, wie auch an Bord des Todessterns unter anderem Imperiale Sturmtruppen, Kopfgeldjäger und das mysteriöse Müllpressen-Ungetier hinzu.

Bei der Strukturierung des Gameplays offenbart sich eine Zweiteilung: Boden- und Flugmissionen, wobei bei letzteren noch zwischen zwei- und dreidimensionaler Darstellungsweise differenziert werden muss. Vogelperspektivisch geht es beispielsweise an Bord eines bewaffneten X-Wing-Fighters im abschließenden, zum schwersten Teil des Spiels gehörenden, Todessterngraben oder im bereits angesprochenen Landspeeder zur Sache. Technisch herausragend sind die, laut Handbuch vom Beam Software-Mitarbeiter Trevor Nuridin entwickelten, dreidimensionalen, aus der Cockpitansicht steuerbaren Weltraummissionen, in denen der Spieler unter anderem an Bord des legendären Millenium Falcons durch das aus der Zerstörung Alderaans hervorgehende Asteroidenfeld manövrieren muss oder im X-Wing Dutzende von TIE-Fighter-Formationen neutralisiert. Bedient sich der finale Todessternanflug noch Klassikern wie Konamis Gradius, so gehen die 3D-Weltraummissionen gänzlich andere Wege: Ein rotes, über das Digitalkreuz manövrierbare Fadenkreuz markiert die Laserausrichtung des Millenium Falcons respektive X-Wings, wobei sich ab einem gewissen Ausrichtungsradius das komplette Schiff der angestrebten Richtung entgegenneigt. Die Lasersalven der Rebellion, welche durch rote Schüsse dargestellt werden, besitzen zudem die spielrelevante Fähigkeit, imperiale, d.h. grün gefärbte Laserbündel vorzeitig zur Detonation zu bringen.

Den entscheidenden Faktor während der interstellaren Gefechte stellt natürlich die Kapazität der Schutzschilder dar, die auf den Wert 8 begrenzt ist und nur zu Beginn auf Tatooine erweiterbar ist. Dementsprechend bildet die erste Mission das Fundament für sämtliche Raumkämpfe. Leider kündigt sich hier bereits eines der größten Designschnitzer des Spieles an: Warum schufen die Entwickler auf Tatooine unzählige Höhlenverstecke, wenn es dem Spieler doch möglich ist, immer wieder die gegnerärmste Grotte zu betreten, um sich dort der begehrten Einheiten zu bedienen? Ähnliches Schicksal erleidet die Rettungsaktion von Prinzessin Leia an Bord des Todessterns - Warum existiert dort die Möglichkeit, R2-D2 in das Computerterminal der Raumstation zwecks Darstellung einer Auswahl an Zellen, in welchen das holde Prinzessinnengemüt ihrer Gefangenschaft frönen könnte, einzulinken, wenn doch von vorneherein klar ist, dass sie sich bei jedem Konsolenneustart in der selben Arrestzelle räkelt? Diese Tatsache dürfte daher nur bei Erstspielern sowie Perfektionisten auf eine positive Resonanz stoßen - Prinzessin Leia Organa trägt nicht zuletzt durch ihre Kampfeskraft sondern auch durch eine stattliche Anzahl an Prozentpunkten, welche den spielerischen Gesamtfortschritt repräsentieren, zu einer befriedigenden Endwertung bei. Diesem prozentualen Fortschrittsprotokoll unterwerfen sich neben gemeisterten Levelabschnitten, gefundenen Waffen und Schutzschildsymbolen nämlich auch die am Schluss des Spiels noch lebenden Charaktere.

Trotz der spielerischen Beschränktheit, sprich mangelnde Fähigkeit, Lebenseinheiten für sich zu beanspruchen, verfügen Han und Leia gegenüber dem Farmerjungen Skywalker über wesentlich vorteilhaftere Argumente, wie einer höheren Schusskraft. Speziell die Dame mit der Kringelfrisur kredenzt ein weiteres explizites, die Waffe einer Frau nutzendes Attribut. Sowohl in dem Raupenschlepper der Jawas als auch während den metallisch gerüstartigen Levelkonstruktion der imperialen Superwaffe erfährt der Spieler innerhalb einiger Passagen eine Abnahme der Schwerkraft bzw. einen durch Luftsoge hervorgerufenen Schwebezustand. Hierbei wird der voluminöse Rock des Blaubluts - ähnlich Prinzessin Toadstool in Super Mario Bros. 2 - zum Fortbewegungsmittel, welches die Flugbahn um bedeutungsvolle Meter zu verlängern vermag. Denn allein Pixel entscheiden in Star Wars für das Nintendo Entertainment System zwischen Frust und Lust: Zwar sind die Plattformen deutlich erkennbar, dennoch liegen sie leicht unter den Größenverhältnissen eines durchschnittlichen Jump 'n' Runs. Dies ist speziell in den Grotten auf Tatooine oder innerhalb der Todessterntrakte ein zum hohen Schwierigkeitsgrad beitragender Faktor.

Grafisch präsentieren sich die Sternenkriege innerhalb der 2D-Passagen als allenfalls robust und reißen dementsprechend keine Bäume aus. Lediglich die gelungenen, flüssig scrollenden Raumschiffgefechte drücken die Wertung in ein positives Licht. Technisch gestaltet sich das aus der Zusammenarbeit von Lucasfilm Games und Beam Software hervorgegangene Modul ähnlich zum spielerischen Gehalt: Ein wenig unausbalanciert bzw. teilweise noch unfertig erscheinend. Ebenso verhält es sich mit der schizophren anmutenden Akustik des Moduls. Hervorragend gelungen sind die Transponierungen John Williams´ legendärer Musikstücke, wobei speziell das Arrangement des Cantina-Themas auf Tatooine für sich spricht. Nicht weniger gelungen sind auch die Blastergeräusche oder der Lichtschwerteffekt. Als völlig überflüssig und einfallslos erweisen sich jedoch leider die Eigenkompositionen Marshall Parkers während der Flugsequenzen, welche sich zudem noch durch penetrante Wiederholungen des Gehörs des geneigten Nutzers bemächtigen.

Insgesamt lässt sich die 14 Jahre nach dem Filmrelease erfolgte Star Wars-Umsetzung als ein unausgewogenes Überdurchschnittsspiel bezeichnen. Trotz seiner durchwachsenen Technik erweist sich das Spiel über lange Zeit als höchst motivierend, auch wenn der Frust trotz 10 Continues quasi schon vorprogrammiert sein mag. Seine Hauptmotivation bezieht das Spiel eben aus der Tatsache, Star Wars zu sein - und das gepaart mit einigen für NES-Verhältnisse sensationell anmutenden räumlichen Flugsequenzen sowie einem extrem spannenden Showdown. Die Investition gründlich überdenken sollten allerdings Gelegenheitsspieler: Star Wars stellt kein schwierigkeitstechnisches Zuckerschlecken dar und darf sich lediglich zur unteren Hälfte gehobener NES-Actionkost zählen.


Wertung


6/10

Kommentare



Chancell
Generell der Gattung des Jedis angehörend stellte Star Wars selbstverständlich ein Pflichtkauf für mich dar: Bei dem tollen musikalischen Thema, dem einleitenden Rolltext, dem Angriff des Sternenzerstörers auf die Tantive IV wird einem als Liebhaber warm ums Herz, ABER dieses Spiel hat eindeutig Chancen verspielt, es hätte soviel mehr werden können. Ein Soundeffekt hier, ein Zufallsgenerator da, gespickt mit weiteren Animationsphasen hätten die Wertung nach oben schnellen lassen. Ebenso vermisse ich ein Highscore-System oder vergleichbare Features, dies hätte positiv zum Replayfaktor beigetragen. Na ja, nichtsdestotrotz ein überdurchschnittliches Actionspiel mit einem extrem fordernden Finale *schwitz* ;o)